Seit ich beim Netzwerk Erzählcafé dabei bin, habe ich schon öfters wahrgenommen, dass die Methode des Erzählcafés mit anderen, ähnlichen Formaten verwechselt wird. Für manche Menschen ist die Abgrenzung zu anderen Erzählmethoden nicht klar. Deshalb möchte ich hier aufzeigen, was ein Erzählcafé ist – und was es nicht ist. Ich beginne damit, was es NICHT ist.

Text: Valentina Pallucca Forte

Das Erzählcafé ist nicht die richtige Methode, wenn:

  • Sie sich eine gute Zeit für das Erzählen und Zuhören von fiktiven Erzählungen wünschen.

In diesem Fall ist ein literarisches Café das Richtige für Sie. In einem Erzählcafé werden autobiografische Geschichten erzählt.

  • Sie ein Problem haben und eine Lösung finden möchten.

Das Erzählcafé hat keine Zielsetzung oder Erwartungshaltung. Das einzige Ziel ist es, Einblicke in die eigene Geschichte mit anderen zu teilen. Nicht selten hilft uns das Anhören der Lebenserfahrungen anderer dabei, die richtigen Werkzeuge für die Bewältigung persönlicher Situationen zu finden. Wenn Ihr Ziel darin besteht, ein Problem zu lösen, wäre eine Selbsthilfegruppe zielführender.

  • Sie eine Therapie brauchen.

Das mag trivial klingen, ist es aber nicht. Ein Erzählcafé ist nicht mit einer Therapie zu verwechseln. Die Moderierenden des Erzählcafés absolvieren einen Einführungskurs in die Moderation, der vom Netzwerk Erzählcafé  angeboten wird. Sie haben Erfahrung in der Leitung von Gruppen für Erwachsene, sind aber keine Therapeutinnen und Therapeuten.

  • Sie das Diskutieren und Debattieren mit anderen Menschen suchen.

Während des Erzählcafés urteilen Sie nicht über das, was erzählt wird, noch geben Sie Bewertungen ab oder erteilen Ratschläge. Politische oder philosophische Ideen werden nicht erörtert. Das Ziel ist der Austausch unter Gleichgesinnten, das Zuhören und die Wertschätzung der kleinen persönlichen Geschichten.

Fazit:

Das Erzählcafé ist NICHT alles, worüber ich oben geschrieben habe. Es ist noch viel mehr: eine einfache, schnelle und niederschwellige Methode, um Menschen zusammenzubringen und ihnen einen schönen Moment des Austauschs zu ermöglichen. Durch das Zuhören und Erzählen unserer Lebenserfahrungen befinden wir uns auf der gleichen Ebene, unsere Geschichten gewinnen an Wert und wir fühlen uns als Teil einer Gemeinschaft.

Dank des Erzählcafés haben wir die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu treten, denen wir auf unserem Lebensweg vielleicht nie begegnet wären. Menschen, die sich in Bezug auf Herkunft, Kultur, Religion und Alter von uns unterscheiden, die wir aber vielleicht als sehr ähnlich empfinden.

Am Ende eines Erzählcafés fühlen wir uns reicher und mehr im Einklang mit anderen.

Wenn ich Sie noch nicht überzeugt habe, lade ich Sie ein, ein Erzählcafé selbst zu erleben!

In der Agenda auf der Website finden Sie Erzählcafés in Ihrer Region.

Lesen Sie den Jahresbericht 2022. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse:

  • Am 30. November 2022 wird der Verein Netzwerk Erzählcafé Schweiz mit Sitz in Taverne (TI) gegründet.
  • Das Erzählcafé wird als Intervention in die Orientierungsliste KAP 2022 aufgenommen.
  • Die Gesundheitsförderung Schweiz erklärt sich bereit, das Netzwerk Erzählcafé zwei weitere Jahre im Rahmen der Projektförderung KAP zu unterstützen.
  • Die Ergebnisse der Externen Evaluation des Netzwerks durch Interface werden in einem Faktenblatt publiziert.

Zum Jahresbericht 2022

Zu allen Jahresberichten

Vielen Dank an alle Moderatorinnen und Moderatoren, die das Buch «Erzählcafés. Einblicke in Praxis und Theorie.» an einer lokalen Vernissage vorgestellt haben. Eine davon ist Claudia Sollberger. Zu ihrem Erzählcafé mit Vernissage in Solothurn kamen Moderierende, Teilnehmende und Interessierte.

Foto: privatClaudia Sollberger freute sich sehr über den gelungenen Anlass. Sie schreibt: «Ich hätte nie gedacht, dass es möglich ist, mit so vielen Teilnehmenden ein Erzählcafé durchzuführen! Und so habe ich mich an die Worte von Gert Dressel zurückerinnert, als er einmal an einem Werkstattgespräch in Zürich davon berichtet hat, dass er in Wien mit 30 bis 40 Personen ein erfolgreiches Erzählcafé erlebt hatte.»

Die engagierte Erzählcafé-Moderatorin aus Solothurn fand es toll, wie sich sogar die Teilnehmenden aus der hintersten Reihe mit persönlichen Geschichten einbrachten. Das Thema lautete «Die Bücher in meinem Leben – persönliche Erinnerungen an das Lesen und Erzählen». Im Anschluss ans Erzählcafé stellte sie das neue Buch vor, an dem 34 Autorinnen und Autoren mitgeschrieben haben.

Überregionales Netzwerk

Mit dabei waren auch Mechthild Wand und Daniela Hersch, zwei ebenfalls sehr engagierte Moderatorinnen. Mechthild las zwei ihrer Gedichte aus dem Buch vor, was laut Claudia Sollberger die Anwesenden sehr beeindruckte. Ihr Fazit des Anlasses: «Es hat mich sehr gefreut, dass ich die Möglichkeit hatte, vor so grossem Publikum meine Leidenschaft für das Erzählcafé zum Ausdruck zu bringen.»

Möchten Sie eine Buchvernissage veranstalten? Wir unterstützen Sie mit einem Beitrag von 500 Franken.