Eine Brücke zwischen einer Ausstellung und dem eigenen Leben schlagen

19.08.2024

2023 veranstaltete das Musée d’ethnographie de Genève (MEG) im Rahmen der Sonderausstellung «Être(s) ensemble» vier Erzählcafés zu unterschiedlichen Themen. Sie drehten sich rund um die Kommunikation zwischen verschiedenen Arten von Lebewesen und die Beziehungen zwischen Menschen, Pflanzen und Tieren. Julie Dorner* blickt zurück und gibt ihre Erfahrungen weiter.

Foto: MEG

Interview: Anne-Marie Nicole

Julie Dorner, was ist das MEG?

Das Musée d’ethnographie de Genève ist eine Institution der Stadt Genf, das Sammlungen mit Objekten, Büchern und Dokumenten zu den Kulturen der fünf Kontinente beherbergt. Was das Museum so besonders macht, sind die umfangreichen Sammlungen an Musikinstrumenten und Tonaufnahmen. Das Museum befindet sich im Stadtteil La Jonction und verfügt über mehrere Räumlichkeiten, die für unterschiedliche Zielgruppen als Erlebnisorte dienen können: der Garten, das Café, die Ausstellungsräume, aber auch das Foyer, in dem Aktivitäten, Workshops, Konzerte, Performances usw. stattfinden.

Warum haben Sie für die Sonderausstellung «Être(s) ensemble» Erzählcafés eingesetzt?

Mir persönlich war es immer wichtig, im Anschluss an die Ausstellungen Diskussionsmöglichkeiten anzubieten, um Abstand zu den wissenschaftlichen Konzepten zu gewinnen und Raum für den Austausch über die Erzählungen und Erlebnisse der Menschen zu lassen. Während meiner Ausbildung in Kulturvermittlung sind mir die Erzählcafés begegnet. Das Format ist interessant, weil es einen Rahmen für die Diskussion und den Austausch von Erfahrungen bietet. Und in unserem Fall entspricht es perfekt dem Anliegen der Ausstellung «Être(s) ensemble»: Wir Menschen sind alle mit unserer Umwelt verbunden. Das Erzählcafé bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich mit ihrer Beziehung zu allen Lebewesen auseinanderzusetzen und ihre Geschichten und Erfahrungen im Zusammenhang mit Pflanzen oder Tieren zu teilen.

Sie haben die «Antenne sociale de proximité» in das Projekt Erzählcafés einbezogen. Warum?

Für das MEG bietet eine Partnerschaft je nach Projekt bereichernde Möglichkeiten. Eine unserer Herausforderungen besteht darin, zu verstehen, wie wir auf das Publikum zugehen und das Museum zu einem Ort der Diskussion und des Austauschs im Quartier machen können. Hier spielt die Frage der Zugänglichkeit eine wichtige Rolle: Das MEG befindet sich in einem sehr belebten und beliebten Quartier und hat ein eher elitäres Image, was es zuweilen unnahbar macht. Die Partnerschaft zwischen dem Sozialdienst und dem MEG ermöglicht es einerseits, Menschen ins Museum zu bringen, die sonst nicht kommen würden, und andererseits unserem Stammpublikum die Möglichkeit zu geben, an einer anderen Art von Veranstaltung teilzunehmen. Auf diese Weise trägt das Museum auch zum Zusammenleben und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt im Quartier bei.

Sie haben vier Erzählcafés veranstaltet, jedes zu einem anderen Thema – unsere Beziehung zu Lebewesen, Pflanzen und wir, Tiere und wir, das Zusammenleben und das Glücklichsein. Fanden sie Anklang?

Ja, ich war angenehm überrascht. Die Erzählcafés fanden jedes Mal an einem anderen Ort im Quartier statt. Es haben sehr viele Menschen teilgenommen. Die Erzählungen über die Beziehung zu Pflanzen haben mich unglaublich berührt, obwohl wir anfangs davon ausgingen, dass dieses Thema am wenigsten gut ankommen würde. Bei den Geschichten rund um Tiere haben wir sehr viel gelacht. Ich freue mich sehr über das Interesse und die Begeisterung für diese Art von Treffen und das positive Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Gab es bei der Umsetzung dieser Erzählcafés spezielle Herausforderungen?

Die Auswahl der Themen war sicherlich eine grosse Herausforderung. Wir wollten nämlich Themen anbieten, die Lebenserzählungen und den Austausch von Erfahrungen fördern, dabei thematisch aber auch zur Ausstellung passen. Ausserdem war es uns wichtig, allzu theoretische Diskurse und Ideendebatten zu vermeiden. Und es galt auch, unser Publikum zu finden, noch dazu eines, das sich von dieser Art des Austauschs angesprochen fühlt und Lust hat, daran teilzunehmen. Im Museum haben wir versucht, Diskussionsmöglichkeiten anzubieten. Sie waren im Gegensatz zu den geführten Besichtigungen aber nur mässig erfolgreich.

Planen Sie, weitere Erzählcafés anzubieten?

Diese ersten Erzählcafés können als Pilotprojekt betrachtet werden. Wir werden sehen, wie es weitergeht… Wenn wir das Ziel des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des Zusammenlebens im Quartier weiterverfolgen wollen, ist das Erzählcafé sicherlich ein Format, das wir in Betracht ziehen könnten. Es müsste dann regelmässig angeboten werden. Wie wir es üblicherweise bei kulturvermittelnden Aktivitäten im Quartier ausserhalb des Museums tun, werden wir auch hier überlegen müssen, wie wir die Erzählcafés stärker mit dem Museum verknüpfen können. Indem es Raum für Diskussion schafft, kann das Museum dabei mitwirken, die sozialen Bindungen zwischen Generationen und zwischen Bevölkerungsgruppen zu fördern.

 

* Julie Dorner hat einen Master in Ethnologie und ist Kulturvermittlerin im MEG.