#unbeschränkt gegen Barrieren im Kopf
In der Kampagne #unbeschränkt erzählen Menschen mit einer Beeinträchtigung aus ihrem Leben. Die Idee, ungehörte Geschichten in die Öffentlichkeit zu tragen, stammt von Luca Lo Faso vom Schlossgarten Riggisberg. Wir fragen ihn, was die Kampagne in den Köpfen bewegt und wie er mit dem Netzwerk Erzählcafé zusammenspannt.
Interview: Rhea Braunwalder / Anina Torrado Lara, Fotos: zVg
Was ist das Ziel der neuen Kampagne #unbeschränkt?
Luca Lo Faso: Wir möchten ungehörte Geschichten erzählen und damit Mut machen. Mut, Vorurteile gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen abzubauen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Auch will die Kampagne Gleichgesinnte verbinden und eine Bewegung auslösen. Die gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung – und überhaupt die gesellschaftliche Vielfalt – soll als Bereicherung und nicht als Bürde erlebt werden.
Wie haben Sie Menschen gefunden, die bereit sind, ihre Geschichte zu erzählen?
Unsere Erfahrung ist, dass Menschen grundsätzlich gerne ihre Geschichte erzählen. Insbesondere dann, wenn es ermutigende Erfolgsgeschichten sind. Allerdings ist es etwas anderes, eine Geschichte «nur» zu erzählen und sie zu veröffentlichen. Dieser Schritt braucht Mut, gerade in der undurchsichtigen und unberechenbaren Welt der sozialen Medien. Die ersten Geschichten stammten aus dem Schlossgarten. Danach haben wir andere Institutionen angefragt. Mit der Zeit haben sich dann auch Betroffene oder deren Angehörige an uns gewendet.
Warum setzen Sie auf «Storytelling»?
Fachverbände und Interessenvertretende schaffen eine grosse Sensibilität für die Themen «gesellschaftliche Inklusion» und «gleiche Rechte für Menschen mit Beeinträchtigungen». Wir sind aber überzeugt, dass es schwierig ist, andere als Fach- und Betroffenenkreise mit diesen Forderungen zu erreichen. Geschichten wirken viel stärker als ein Appell ans Pflichtgefühl. Inklusion und Teilhabe sollen wohltuende Bereicherungen und wertvolle Errungenschaften sein.
Wie fördern Sie mit dieser Strategie die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen?
Geschichten schaffen Emotionen und Verbindungen zwischen den Menschen. Sie machen betroffen, fördern den Gemeinschaftssinn und damit hoffentlich auch das gesellschaftliche Zusammenleben. Die Beispiele relativeren das Bild einer beeinträchtigten Person und zeigen, dass die Einschränkung nur ein Aspekt ist. Bei uns wohnt beispielsweise seit Jahren eine Konzertpianistin. Wenn man die kultivierte und belesene Frau in klaren Momenten erlebt und sie Klavier spielen hört, kann man sich gut vorstellen, wie sie einst auf der ganzen Welt die Bühne eroberte.
Welche Barrieren bestehen in den Köpfen?
Viele Ängste und Unwissenheit. Kürzlich sagte mir ein Mann, er wohne jetzt schon 40 Jahre in der Gegend, sei aber noch nie im Schlossgarten gewesen. Diejenigen, die «es wagen», sind in der Regel begeistert. Wir haben bei uns ein Bed & Breakfast, einen Eggladen mit Produkten aus unserem Betrieb, ein Restaurant und ein Seminarzentrum. Viele Touristen im B&B staunen, wo sie gelandet sind (lacht). Echte Inklusion ist erst dann möglich, wenn die Diversität als Bereicherung empfunden wird und Begegnungen entstehen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Wir wollen näher an die Arbeitswelt ran und das Potenzial von Menschen mit Beeinträchtigungen nutzen. Gerade die Mitarbeit im ersten Arbeitsmarkt stellt einen grossen Schritt in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dar. Betriebe, die auch Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigen, erfahren in der Regel, wie bereichernd dieses Engagement für alle Beteiligten ist.
Wie können Interessierte zur Kampagne beitragen?
Auf der Plattform www.unbeschänkt.ch publizieren wir Geschichten. Interessierte Personen und Institutionen helfen uns, wenn sie die Geschichten mit dem Hashtag #unbeschränkt auf ihren sozialen Medien teilen. Darüber hinaus freuen wir uns sehr, wenn sie eigene Beiträge verfassen. Wer dies wünscht, kann unser Partnerlabel «WIR SIND UNBESCHRÄNKT» als sichtbares Zeichen für das Engagement einsetzen.
Geschichten im Zentrum
Das Netzwerk Erzählcafé unterstützt die Kampagne #unbeschränkt. Der Schlossgarten Riggisberg wiederum ist Partner bei den Erzählcafé-Tagen 2021 vom 11.-13. Juni 2021. An beiden Tagen werden im Schlossgarten Erzählcafés stattfinden. Die beiden Institutionen sind dadurch verbunden, dass sie Lebensgeschichten in den Vordergrund stellen.