Möchten Sie das interkulturelle Format (siehe Interview mit Johanna Kohn) einmal selbst ausprobieren? Hier finden Sie Empfehlungen für Gesprächssituation in Erzählcafés mit gehörlosen gebärdenden Personen und DSGS-Dolmetschenden. 

 

Vor dem Erzählcafé:

  • Auf gute Lichtverhältnisse achten. Gegenlicht soll vermieden werden.
  • Je nach Gruppenzusammensetzung muss auch auf Hintergrundgeräusche geachtet werden (Hörgeräte, Cochlea-Implantate).
  • Den gehörlosen Personen und den Dolmetschenden kurz Zeit und Raum geben, um die beste Sitzordnung zu finden.
  • Tische nur wenn notwendig aufstellen.
  • Abklären, ob es in der Gruppe wichtig ist, Hochdeutsch zu sprechen.
  • Um die Aufmerksamkeit einer Gruppe auf sich zu lenken (z.B. für den Start), kann man zum Beispiel den Lichtschalter mehrmals ein- und ausschalten. Wenn die Dolmetschenden bereits präsent oder im Einsatz sind, kann man auch normal «rufen». Die Dolmetschenden übernehmen dann mit einer geeigneten Methode.

Während des Erzählcafés:

  • Es sollen nicht speziell lange Pausen für die Dolmetschenden gemacht werden. Wenn es zu schnell geht, werden die Dolmetschenden das Gespräch unterbrechen und um Wiederholung bitten.
  • Während des Gesprächs unbedingt Blickkontakt mit den Adressierten halten, nicht mit den Dolmetschenden.
  • Die Gebärdensprach-Dolmetschenden werden nicht aktiv ins Gespräch miteinbezogen. Das heisst, es sollen ihnen keine Fragen gestellt werden (ausser sie haben direkt mit der Dolmetschsituation zu tun).
  • Durch das Dolmetschen haben die gebärdensprachlich kommunizierenden Personen eine kleine Verzögerung. Eine typische Situation in gemischten gedolmetschten Gruppen ist: Eine Frage wird lautsprachlich gestellt. Wenn diese Frage dem Ende zugeht, melden sich bereits erste hörende Teilnehmende mit einer Antwort. Zur selben Zeit ist aber die Frage in der Gebärdensprache noch nicht fertig übersetzt. Die gehörlosen Personen sind also im Nachteil und die hörenden Personen kommen ihnen zuvor. In gemischten Gruppen entsteht so das Risiko, dass gehörlose Personen nicht zu Wort kommen. Vergeben Sie das «Recht zu sprechen», damit alle zu Wort kommen. Bevor Antworten auf eine Frage kommen, muss die Frage in Gebärdensprache fertig übersetzt worden sein.
  • Die Gehörlosenkultur zeichnet sich dadurch aus, dass viele Personen gleichzeitig kommunizieren. Es wäre möglich, dass die Gehörlosen die Organisation des Erzählcafés im Sinne von aufeinanderfolgenden Erzählungen (Monologen) unpassend finden und eher Diskussion oder Rückmeldungen suchen. Es sollten vorab Strategien definiert werden, wie die Moderierenden damit umgehen.

Den ausführlichen Leitfaden finden Sie hier.

Johanna Kohn, Professorin für Alter, Biographiearbeit und Migration an der FHNW, lancierte zusammen mit Simone Girard-Groeber, Forscherin im Gehörlosenbereich an der FHNW, ein besonderes Projekt: Sie luden hörende und gehörlose Menschen zum Erzählcafé ein. Johanna Kohn erzählt über diese interkulturelle Begegnung.

 

Interview: Anina Torrado Lara

Wie kamen Sie auf die Idee, Erzählcafés zu veranstalten, bei denen das «Einander Zuhören» eine Herausforderung darstellt?

Johanna Kohn

Johanna Kohn: Die Idee kam von Simone Girard-Groeber. Sie wollte die interkulturelle Begegnung zwischen Hörenden und Gehörlosen ermöglichen und herausfinden, was da im Gespräch passiert. Zuhören und Erzählen konnten wir dank zwei Gebärdensprach-Dolmetscherinnen. Es war ähnlich anspruchsvoll, wie wenn Menschen mit unterschiedlicher Muttersprache und Kultur zusammenkommen.

Inwiefern war die Begegnung zwischen Gehörlosen und Hörenden «interkulturell»?

Die Begegnungen waren in mehrfachem Sinne interkulturell: In jeder Kultur teilen wir gemeinsame Sprachen, gewisse Gewohnheiten, Regeln, Verhalten, Rituale und Geschichten. Hörende und Gehörlose in der Schweiz leben in der gleichen Umgebung, unterscheiden sich aber in Sprache, Geschichte, Umgang, Bedürfnissen. Gehörlose Menschen sind zudem in sich «bi-kulturell»: Sie sind Teil der hörenden Kultur einerseits, nutzen aber andererseits auch ihre Gebärdensprache und fühlen sich der Gehörlosenkultur angehörig.

Was prägt die Kultur von gehörlosen Menschen in der Schweiz?

Ein Einblick in die Geschichte der Gehörlosen in der Schweiz macht das verständlich: Viele der älteren Gehörlosen wurden früh vom Elternhaus getrennt und wuchsen in den wenigen Internaten für Gehörlose in der Schweiz auf. Dort war die Gebärdensprache vielfach verboten und sie wurden für das Gebärden bestraft. Unter grosser Anstrengung mussten sie lernen, Laute zu artikulieren und von den Lippen zu lesen. Untereinander haben sie sich oft nur versteckt in Gebärdensprache austauschen können. Das prägt. Hörende in der Schweiz teilen diese Geschichte nicht, sie haben vielfältige andere Erfahrungen. Während für die Gehörlosen als Minderheit das bi-kulturelle Leben der Alltag ist, war es für die Hörenden am Erzählcafé eher neu, Minderheit in einer gehörlosen Kultur zu sein.

Besteht heutzutage mehr Chancengleichheit für Gehörlose?

Es wurde schon einiges getan. Zum Beispiel werden mehr Informationen in Gebärdensprache übersetzt. Aber gerade im Bildungsbereich bestehen noch enorme Ungleichheiten. Das zeigt sich dann auch in der Berufswahl. Am Erzählcafé haben wir über dieses Thema gesprochen. Viele Gehörlose sagen, dass sie sich in einem ständigen «Kampf ums Sichtbarwerden» befinden. Es fängt schon bei der Berufswahl an: da sind auf den ersten Blick ganz viele Tätigkeiten «unmöglich».

Sind Hörende hilflos im Umgang mit Gehörlosen?

«Hilflos» möchte ich nicht sagen, aber vielleicht erst einmal «sprachlos» und «fremd» in einer fremden Kultur. Kontakt entsteht vielleicht, aber nur sehr oberflächlich. Vertiefte Gespräche sind möglich, wenn Hörende sehr kompetent in Gebärdensprache sind, oder Dolmetschende dabei sind. Das hat uns auch das Erzählcafé gezeigt: Es brauchte eine gute Vorbereitung, damit der interkulturelle Austausch für alle möglich und ein bereicherndes Erlebnis ist.

Können Sie uns einen ersten Einblick in Ihre Erkenntnisse geben?

Ich möchte noch nicht viel vorwegnehmen, aber die Erzählcafés haben bei allen Beteiligten Lust auf mehr geweckt. Sie haben den Hörenden Mut gemacht, sich darauf einzulassen, erst einmal nichts zu verstehen – und dann aber ganz viel zu erleben. Und sie haben den Gehörlosen den Raum gegeben, ihre Erfahrungen und ihre Welt «laut» sichtbar zu machen. Die Ergebnisse und der Leitfaden zur Durchführung von «Erzählcafés Inklusiv» mit Hörenden und Gehörlosen ist hier online.

 

Die Erzählcafé-Reihe mit Gehörlosen und Hörenden

Die Erzählcafé-Reihe wurde 2020 vom Netzwerk Erzählcafé mit dem Schweizerischen Gehörlosenbund, der Max-Bircher-Stiftung und dem Verein Sichtbar Gehörlose in Zürich veranstaltet. Mit dabei waren neben Johanna Kohn und Simone Girard-Groeber auch zwei Dolmetscherinnen sowie hörende und gehörlose Gäste und Moderierende. Aus den Erkenntnissen der Erzählcafés und Interviews mit Beteiligten enstand 2021 ein Bericht über die Kommunikation in interkulturellen Erzählcafés und ein Leitfaden mit Tipps.

Das Thementreffen startete mit einem Input von Marlen Rutz (Projektleiterin Soziales, Migros-Kulturprozent, siehe Foto) und Rahel Fenini (Gleichstellungsbeauftragte des Kantons St.Gallen).  Danach wurden Facetten des Themas in Kleingruppen diskutiert. Hier finden Sie die Dokumentation der Veranstaltung:

Gender Input Thementreffen 2021

Dokumentation des Treffens

Am 30. Oktober 2019 trafen sich 30 Personen zum ersten gemeinsamen Anlasses des Netzwerks Erzählcafé Schweiz und Generationen im Museum (GiM). Im Landvogteischloss des Historischen Museums Baden gingen die Teilnehmenden auf Spurensuche und kamen über die Objekte ins Erzählen.

Was passiert, wenn man zwei unterschiedliche Erzählformate zu einer neuen Form verbindet? «Eine geballte Ladung an Kreativität und Inspiration», sagt Rhea Braunwalder vom Netzwerk Erzählcafé. Die Projektmitarbeiterin des Netzwerks lud gemeinsam mit Franziska Dürr von Generationen im Museum am 30. Oktober 2019 die Communities der beiden vom Migros-Kulturprozent konzipierten und realisierten Projekte Generationen im Museum (GiM) und Netzwerk Erzählcafé zum Museumsbesuch der besonderen Art ein.

Die Idee: Zwei sich noch unbekannte Menschen flanieren durch die Ausstellung im Historischen Museum Baden, suchen sich ein Museumsobjekt aus und erfinden dazu gemeinsam eine Geschichte. «Die rund 15 Tandems erfanden extrem fantasievolle Geschichten», erzählt Rhea Braunwalder. Ein Beispiel: Vor einer Sänfte stehend habe sich die Gruppe eine Anekdote über die Ursprünge des Joggens angehört. Die Museumsdirektorin Heidi Pechlaner habe die fesselnde Geschichte dann mit historischen Fakten ergänzt.

Reflexive und persönliche Erzählform
Dinge und Geschichten können Aufhänger und Inspirationsquelle für biografische Erzählungen sein. Wer schon einmal an einem Erzählcafé teilgenommen hat, kennt die besondere Dynamik, die das Geschichtenerzählen auslöst. Rhea Braunwalder erzählt ein weiteres Beispiel: «Als wir in einer Ausstellung zur Haute Couture vor einer Schublade in einer Vitrine standen, nahm die Gruppe den Faden auf und erzählte über persönliche Ordnung und Unordnung, über private Schubladen, mentale Schubladen und auch Erinnerungen zu Schubladen der Kindheit.»

Neue Perspektiven
Rhea Braunwalder fasst den neuartigen Anlass zusammen: «Wir wollten ausprobieren, wie sich mehrere Erzählformate kombinieren lassen. So können wir neue Bevölkerungsgruppen ansprechen und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken. Auch die Teilnehmenden empfanden den Anlass als wertvoll. Eine Teilnehmerin meinte, es brauche Selbstsicherheit und Vertrauen, um freimütig aus dem eigenen Leben, oder auch erfundene Geschichten zu erzählen. Doch es lohne sich, denn der kreative Austausch und das Erfahren von neuen Lebenswelten und Perspektiven mache einfach Spass.

Möchten Sie selber einen Anlass organisieren?
Wenn Sie einen GiM-Anlass, ein Erzählcafé oder eine Kombination der beiden Formate in Ihrer Region umsetzen möchten, unterstützen wir Sie gerne. Melden Sie sich bei rhea.braunwalder@netzwerk-erzaehlcafe.ch oder duerr@generationen-im-museum.ch.

Das historische Museum Baden: Ein Ort zum Erzählen
Das Historische Museum Baden legt den Fokus in seinen Ausstellungen und Veranstaltungen auf den Austausch unter den Menschen in der Bäder-, Industrie- und Tagsatzungsgeschichte. Im altehrwürdigen Landvogteischloss finden sich sorgfältig möblierte Schlossräume, die dazu einladen, in Lebenswelten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert einzutauchen. In zwei Sonderausstellungen pro Jahr stehen gesellschaftlich relevante Themen mit starkem Gegenwartsbezug im Vordergrund: lokal verankert – von globaler Bedeutung.

Die erfahrene Moderatorin Manuela Kohli-Wild aus Wollishofen gibt Tipps für ein gelungenes Erzählcafé im Quartier: von der Raumsuche über die Verpflegung bis zum Ablauf.

 

Welches Format eignet sich fürs Quartier?

Manuela Kohli-Wild: Wir haben ein Format entwickelt, das wir «Erzählcafé zu Gast» nennen. Es findet immer an einem anderen Ort statt: Im Gemeindezentrum, im Claro-Laden, im Altersheim oder in einem Café – einmal pro Jahr sind wir sogar im Chorraum der alten Kirche zu Gast.

Wo finde ich einen guten Raum und mit welchen Kosten muss ich rechnen?

Suchen Sie sich Gastgeber, die den Raum kostenlos zur Verfügung stellen. Gemeinde- oder Alterszentren, Cafés, Läden, Kirchen oder Jugendorganisationen sind meistens offen dafür. Schauen Sie den Raum vorgängig an: Hat er ein angenehmes Ambiente, gibt es genügend Stühle, einen grossen Tisch, Mineralwasser, ein WC in der Nähe?

Wie motiviere ich einen Gastgeber, seinen Raum zur Verfügung zu stellen?

Meist ist es eine Win-Win-Win-Situation: Das Tertianum beispielsweise kann den Betrieb Interessierten zeigen, die Bewohnerinnen und Bewohner können am Erzählcafé mitmachen und wir bekommen einen kostenlosen Raum. Unsere Gastgeber spendieren in der Regel auch Kaffee und Kuchen.

Wie lade ich zum Erzählcafé ein?

Setzen Sie auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Bauen Sie eine Verteilerliste auf und verschicken Sie einen Flyer – mit der Aufforderung, Angehörige und Bekannte mitzubringen. Man kann das Erzählcafé in der Agenda des Netzwerks ausschreiben und es im Quartier an schwarzen Brettern oder über soziale Netzwerke (z.B. Facebook-Event) kommunizieren.

Was ist bezüglich Werbung wichtig?

Auf unseren Flyer drucken wir immer das Logo des Netzwerks Erzählcafé, denn dieses Qualitätslabel garantiert die Einhaltung der Charta.

Wie kann man Hemmschwellen abbauen?

Die Leute werden gerne angesprochen und persönlich involviert. Wichtig ist auch immer, dass man betont, dass die Teilnahme am Erzählcafé nichts kostet und man sich weder an- noch abmelden muss.

Wie finde ich ein Thema?

Lassen Sie sich von den Themen in der Agenda des Netzwerks Erzählcafé inspirieren! Spannend sind auch immer Themen, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verknüpfen.

Braucht es Getränke und Essen?

Ja, für den ersten, moderierten Teil des Erzählcafés braucht es Mineralwasser. Im zweiten Teil können Sie zum Beispiel Kaffee und Kuchen anbieten. Es ist ganz wichtig, die beiden Teile zu trennen, damit das Erzählcafé nicht zu einem «Plaudertreff» verkommt. Wenn man schon am Anfang Kuchen isst, werden oft die Verhaltensregeln nicht eingehalten und alle sprechen durcheinander.

Wie kann ich ein Erzählcafé finanzieren?

Fragen Sie im Quartier herum, wer Gastgeber sein möchte. Das Lokal hat dann auch die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Machen Sie aber genau ab, wie lange und in welcher Form der «Werbeblock» sein darf.

Wieviele Teilnehmer sind ideal?

Eine ideale Grösse sind 15 Personen, damit es lebendig zu und her geht. Bei mehr Personen empfehle ich zwei Moderator*innen. Eine kleine Gruppe kann auch sehr spannend sein.

Ihr wichtigster Tipp für die Moderation?

Moderieren Sie aktiv: Erklären Sie die Moderationsregeln und achten Sie darauf, dass keine langen Monologe entstehen oder das Gespräch abschweift. Ich empfehle auch, pünktlich anzufangen und aufzuhören. Je genauer der Rahmen eingehalten wird, desto besser kann man sich entfalten.

Förderprogramm

Im Jahr 2019 fördern wir Erzählcafés, deren Zielgruppen bisher wenig berücksichtigt und angesprochen wurden und/oder deren Rahmen innovativ ist. Wir unterstützen die Erzählcafés in Form eines Porträts auf unserer Website und einem einmaligen Förderbeitrag in der Höhe von 500 Franken. Bewerben Sie sich!

Rückblick

Ca. 95 Teilnehmende schalteten sich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz  zum Werkstattgespräch am 15.03.2021 dazu. Die teilnehmenden hatten die Möglichkeit sich in einem digitalen Foyer locker auszutauschen, bevor die Hauptveranstaltung losging. Gemeinsam wurde überlegt was ein Erzählcafé auf psychologischer, bildungswissenschaftlicher und geschichtlicher Ebene bewirkt. Frau Prof. em. Dr. Brigitte Boothe lieferte einen inhaltlichen Input basierend auf ihren eigenen Erfahrungen in einem Erzählcafé zum Thema „Nachbarschaft“. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit aus 12 Schnuppererzählcafés zu wählen. Die drei Zugänge zum Thema waren anregend und eine Folgeveranstaltung ist in Planung.

Podcast-Reihe: Das Erzählcafé auf dem Prüfstand

Die Inputs unserer Referierenden haben wir aufgenommen. Viel Spass beim Nachhören!

Impuls von Brigitte Boothe: „Ein Erzählcafé mit dem Thema Nachbarn – Nachbarschaft“

Historischer Zugang zu Erzählcafés (Gert Dressel)

Bildungswissenschaftliche Sicht auf Erzählcafés (Bettina Dausien)

Psychologische Sicht auf Erzählcafés (Brigitte Boothe)

Schlussgespräch

Tagungsdokumente

Flyer und Programm

Präsentation von Prof. em. Dr. Brigitte Boothe

Moderations-Slides

Zusammensetzung der Teilnehmenden

 

 

 

Rückblick

Am 28. März 2019 fand in Zürich das 5. Werkstattgespräch «Erzählen-Zuhören-Resonanz erfahren» mit ungefähr 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Schweiz, Österreich und Deutschland statt. Nebst der Möglichkeit, ein Erzählcafé zu erleben, stand das Thema «Resonanz» im Vordergrund – erläutert vom Soziologen und Buchautor Hartmut Rosa. Ein Büchertisch der Pro Senectute Bibliothek und viel Zeit für den Austausch zu Erzählcafé-bezogenen Fragen rundeten das Angebot ab.

In der Dokumentation finden Sie Eindrücke von TeilnehmerInnen, eine Beschreibung der durchgeführten Erzählcafés vor Ort, einen thematischen Input zum Thema «Resonanz» und alle Tagungsdokumente. Viel Spass beim Stöbern!

Tagungsdokumente

Flyer

Präsentation

Zusammenfassung des Referats von Hartmut Rosa

Festgehalten: Einblick in 10 Erzählcafés

Fotoprotokoll (Flipcharts)

Medienliste Pro Senectute Bibliothek

O-Ton

Interview mit Sina Florin

Interview mit Rita Gerstenauer

Interview mit Karl Weingart

Impressionen

 

 

Am Werkstattgespräch No 5 fanden zehn Erzählcafés zu ganz unterschiedlichen Themen statt. Hier ein kleiner Einblick in die Erzählrunden aus Sicht der Moderatorinnen und Moderatoren.

Erzählcafé von Rhea Braunwalder: «Schatz, kannst du den Abfall entsorgen?»

Der Gang zur Sammelstelle, das Schnüren von Papier und Karton: Anhand des Themas Abfall und Entsorgung kamen wir ins Gespräch über Beziehungen zu den Menschen in unserem Haushalt und zu unserer natürlichen Umwelt.

Fragen, die wir angesprochen haben, waren: Wer hat sich in deiner Kindheit um die Abfallentsorgung gekümmert? Was hat sich im Laufe deines Lebens in Bezug auf den Abfall verändert?

Als ein Teilnehmer erzählte, wie er als Kind früher in die Abfalltonne gestiegen ist, um den Abfall platt zu drücken, erinnerte mich das an ähnliche Situationen in meiner Kindheit, an die ich mich schon lange nicht mehr erinnert habe!

 

 


Erzählcafé von Elsbeth Grunder: «Frisuren»

Zum Thema Frisuren haben alle etwas zu erzählen. Am Erzählcafé tauschten wir uns über haarige Geschichten aus: von den Zöpfen der Kindheit über den Bubikopf bis zum Coiffeur-Besuch.

Wir sprachen darüber, wie sich die Haarmode und unsere eigene Frisur im Laufe der Zeit verändert hat. Wir haben über Dauerwellen gelacht und darüber, dass Schönheit manchmal leiden muss. Ins Gespräch kamen auch die Farah-Diba Frisur und die ersten grauen Haare.

 

 


Erzählcafé von Lisbeth Herger: «Berufe sind zum Wechseln da»

In diesem Erzählcafé ging es um Geschichten über die Berufswahl, über Wechsel, über Unsicherheiten und Identitäten im Laufe des Berufslebens. Wir haben darüber nachgedacht, was die Berufswahl einst geprägt hat, welche Bilder und Fantasien ich hatte und welche Faktoren mitgewirkt haben, dass ich meiner Wahl untreu wurde. War es die eigene Lust? Oder die Not der Stunde in einer sich rasend verändernden Arbeitswelt? Und wie bin ich geworden, was ich heute bin?

Dieses Erzählcafé wurde schnell zu einem erzählerischen Schutzraum mit wachen Ohren und Herzen.

 

 

 

 


Erzählcafé von Johanna Kohn: «Geschenk ist nicht gleich Geschenk»

Geschenke machen uns froh. Manchmal ist es sogar schöner, etwas zu schenken, als ein Geschenk zu bekommen. Wir haben uns darüber unterhalten, ob uns Geschenke auch beschämen können, wie sich Geschenke im Laufe der Zeit verändert haben und ob wir heute anders schenken als früher. Die Frage kam auch auf, was man anderen Menschen empfehlen würde, wenn diese etwas schenken möchten.

Was ich dabei gelernt habe? Dass viele Frauen in der Schweiz jedes Jahr zu Weihnachten einen Teil des Silberbestecks für die Aussteuer geschenkt bekamen. Die einen fühlten sich und ihre wahren Wünsche nicht wahrgenommen und fanden es schrecklich. Die anderen wertschätzen dieses Geschenk bis heute und sind bis heute noch stolz auf ihr Silberbesteck. Beide Sichtweisen sind so wahr!

 

 


Erzählcafé von Renata Schneider-Liengme: «Haus- und andere Tiere»

Als Haustiere bereichern Tiere unser Leben schon seit Jahrhunderten – und jemand sagte einmal: «Als ich eine Hand suchte, fand ich eine Pfote.»

Gleichzeitig haben wir vor gewissen Tieren Respekt – oder wir bevorzugen Tiere in Bildern: Zum Beispiel auf Wappen. Wir haben darüber geredet, welche Bedeutung Tiere für uns haben und welche Anekdoten wir mit ihnen erlebt haben.

Nebst Geschichten von Hunden, Katzen und Therapie-Tieren sind weitere eindrückliche Geschichten aufgekommen: Von der Beobachtung eines Elefanten über den Wunsch des Kindes nach einem Haustier bis zum Geschäft mit der Tiernahrung und Tierartikeln. Wir haben auch über den Tod eines Haustiers sprechen können.

 

 


Erzählcafé von Kerstin Roediger: «Von Salz bis Pfeffer»

Wie sieht die Küche Ihrer Kindheit aus? Und wo sind die Gewürze wie aufgehoben? Was haben Sie als Kind häufig in der Küche gemacht?

Wenn Sie Ihre Küche und Kochgewohnheiten heute mit dem Erzählten von damals vergleichen, was fällt Ihnen auf? Was haben Sie übernommen, was ist anders?

Und was ist Ihnen heute «Salz im Leben» – ohne das Ihr Leben fade wäre?

 

 

 

 


Erzählcafé von Dominique Schwank: «Dumm gelaufen!»

Wer kann es abstreiten: Es kommt doch immer mal wieder vor, dass etwas nicht so ganz gelingt wie eigentlich geplant. Eine einmalige Gelegenheit wird knapp verpasst oder eine Panne ereignet sich im dümmsten Moment. Darum – und um persönliche Geschichten zu «Schiefgelaufenem» generell – ging es an diesem Erzählcafé.

Wir haben darüber gesprochen, in welchen Situationen etwas «Dumm gelaufen» ist, ob wir heute darüber lachen können, etwas daraus gelernt haben und es vielleicht sogar eine neue Begegnung ermöglicht hat.

Dabei sind Erinnerungen an Unangenehmes, Lustiges und Abenteuerliches entstanden. Eine Geschichte regte die nächste an – und es wurde viel gelacht!

 

 


Erzählcafé von Susi Sennhauser: «Meine Uhr»

Wie fühlte es sich an, als ich meine erste Uhr am Handgelenk trug? Wann trage ich heute meine Uhr? Wie habe ich es mit Zeit und Pünktlichkeit – und welche Geschichten kommen mir dazu in den Sinn?

Die Stimmung in der altersdurchmischten Gruppe war wohlwollend und neugierig, es wurde auch viel gelacht. Es gab einen Moment, als das Erzählte eher Ausdruck einer Werthaltung war und es nicht mehr so sehr um Erlebtes ging. Das war eine Herausforderung für die Moderation, denn wir mussten entscheiden, wie wir damit umgehen möchten.

 

 

 

 


Erzählcafé von Claudia Sollberger: «Genussvolle Momente»

Wir haben über das genussvolle Entdecken sinniert. Wie kommen wir dabei persönlichen Erinnerungen auf die Spur? Ist es der Ort, die Begegnung, die Musik, das Buch, das Bild, die Kunst, die Reise, die Schokoladentorte, der Wein, welche in mir dieses Gefühl des Genusses auslösen?

Denkanstösse waren, welche Dinge und Situationen ich als Kind genossen habe, ob es Momente in meinem Leben gab, in denen der Genuss zum Verdruss wurde, was ich heute geniesse und was ich in Zukunft gerne noch einmal geniessen möchte.

Mir fiel eine Geschichte aus der Kindheit ein: Genüsslich war für mich als Kind immer, wenn der Sommer kam. Ich konnte meine leichten Kleider anziehen und barfuss gehen. Diese wunderbare Geschichte inspirierte eine weitere Person, die auch von ihren Sommerkleidern erzählte. Das war für mich ein Moment der Resonanz.

 


Erzählcafé von Mechthild Wand: «Die letzten Dinge»

Wir haben uns von den letzten und ersten Dingen erzählt und kamen dadurch dem

vollen Leben auf die Spur. Was sind für mich «die letzten Dinge»? Mache ich mir dazu Gedanken oder sind sie ein Tabu? Wo begegneten sie mir bei anderen Menschen, zum Beispiel durch einen Besuch, eine unerwartete Nachricht, ein Testament oder einen Gegenstand?

Am Montag, 27.08.2018, haben sich rund 15 erfahrene Moderatorinnen und Moderatoren im Soup & Chill ausgetauscht. Sie haben den eigenen Moderationsstil reflektiert und von Kollegen und Kolleginnen eine Aussenansicht erfahren.

Wir haben folgende Fragen diskutiert:

  • Was sind Standard-Elemente meines Erzählcafés?
  • Wer sind typische TeilnehmerInnen?
  • Was sind meine Stärken?
  • Welchen Raum schaffe ich als ModeratorIn?
  • Welche Situationen erlebe ich als gelungen und welche weniger?

In Fallbesprechungen behandelten wir folgende Situationen:

  • Wenn schwere Themen dominant werden.
  • Wenn nicht über sich selbst erzählt wird.
  • Wenn niemand etwas sagt.

Im Austausch mit anderen Moderatoren und Moderatorinnen konnten wir die Vielfalt der Erzählcafés erkennen, in unseren Praktiken bestätigt werden, und neue Ideen für unsere eigenen Erzählcafés mitnehmen. Auf den Flipcharts sind die Ergebnisse festgehalten.

Zitate:

«Mein Ziel ist, dass ich einen Raum eröffnen will, wo etwas passieren kann.» Kerstin Roediger, Moderatorin

«Eigentlich sind wir alle Bücher, und die einen Bücher machen sich dann auf.»  Silvan Tarnutzer, Moderator

Rückblick

Ein vielfältiger und bunter Erzählcafé Marktplatz kam am 27. Februar 2018 in Zürich zustande.

Im Erzählcafé wird der vergangene Wandel in der eigenen Lebens- und Zeitgeschichte reflektiert und neu bewertet. Teilnehmende werden angeregt, sich selbst im gegenwärtigen und zukünftigen Wandel zu verorten und zukünftig wünschbare Veränderungen zuzulassen. Am Vormittag stellten sich auf dem Marktplatz verschiedene Erzählcafé-Projekte vor. Anschliessend fragten wir:

  • Wie tragen Erzählcafés zum persönlichen Umgang mit dem Wandel bei?
  • Wie können Moderatorinnen und Moderatoren den Wandel geschickt miteinbeziehen?
  • Was hilft, dass Teilnehmende den Wandel wahrnehmen und bewirken können?

Im Open Space wurden folgende Themen von den Teilnehmenden zur Diskussion vorgeschlagen:

  • Format Erzähl_Mahl
  • Die Emotionalisierung von Lebensgeschichten
  • Hidden Agenda (Erzählcafés mit bestimmtem Ziel)
  • Rollende Erzählcafés
  • Interkulturelle Erzählcafés
  • Pas de deux – Sich gegenseitig inspirieren

Der Bücherstand der Pro Senectute Bibliothek bereicherte die Tagung mit passenden Büchern und Hilfsmitteln zu Erzählcafés. Die Literaturliste ist in der Mediathek verfügbar.

Tagungsdokumente

Fotoprotokoll

Erzählend Lernen

Beschreibung der Marktstände (kurz)

Marktstände: Zusammenfassung

Flyer

Feedback zur Tagung