O-Ton: Hanspeter Itschner aus Glarus über aktives Zuhören, seinen Lieblingsort und Themen, die er gerne ansprechen würde.

Der passionierte Gärtner und Imker Hanspeter Itschner (66) fehlt selten, wenn die Moderatorin Liliana Schmid zum Erzählcafé in die Alterssiedlung Volksgarten in Glarus einlädt. Er schätzt den offenen Austausch über nicht alltägliche Themen und findet, dass das Zuhören heute zunehmend in Vergessenheit gerät.

Herr Itschner, was fasziniert Sie am Erzählcafé?

Hanspeter Itschner: Ich treffe dort immer wieder interessante Menschen und erfahre Dinge, über die man in einem Alltagsgespräch nicht unbedingt spricht. Mich faszinieren Menschen, die für eine Zeit im Ausland gelebt haben. Ein Architekt beispielsweise erzählte einmal, wie er kurz nach der Wende in Ostdeutschland dank seines Schweizer Wissens alte Häuser renoviert hat.

Welche Themen würden Sie am Erzählcafé gerne ansprechen?

Ich würde aktuelle Themen aus den Medien aufgreifen, zum Beispiel den Klimawandel. Da ich selber von der Bewegungskrankheit Dystonie betroffen bin, interessiert mich auch das Thema Krankheit. Spannend wäre es für mich zu erfahren, wie gesunde Menschen mit Schmerzen umgehen. Oder mit Menschen, die eine Behinderung haben.

Was unterscheidet ein Erzählcafés von einem normalen Gespräch?

Mir gefällt das Format des Erzählcafé, denn durch die geregelte Moderation bekommen alle Teilnehmenden Zeit zum Erzählen. Erinnerungen werden oft erst geweckt, wenn jemand eine Geschichte erzählt. Die meisten Leute in unserer Runde sind im Pensionsalter, zum Teil auch älter als ich. Wir sprechen über Vergangenes, Lieblingsorte und diverse andere Themen.

Wo ist Ihr Lieblingsort?

Ein Kraftort am Klöntalersee. Auf einer Anhöhe steht das Bienenhaus der Glarner Bienenfreunde, das ich einige Jahre als Kursleiter betreut habe. An diesem speziellen Ort ging es mir einfach immer gut. Als ich das erzählte, haben ganz viele gesagt, das sei auch ihr Lieblingsort.

Hanspeter Itschner (links) führt seine Erzählcafé-Gruppe im Frühling auf den Bienenlehrpfad.

Wird heute zu wenig miteinander geredet?

Ich habe das Gefühl, dass es zu wenig Menschen gibt, die richtig zuhören können. Mir fällt auf, dass die Leute einander oft ins Wort fallen. Schüchterne Menschen oder solche, die sich krankheitshalber weniger gut ausdrücken können, kommen zu kurz. In einer Selbsthilfegruppe habe ich einmal erlebt, dass nicht mal die Leiterin gemerkt hat, dass eine Frau nicht zu Wort kam, weil sie Mühe hatte, sich zu artikulieren.

Braucht es deshalb eine Moderation?

Die Moderation des Gesprächs ist wichtig. Manchmal wird aber auch der Erzählfluss gehemmt. Ich habe gemerkt, dass viele Teilnehmende Mühe damit haben, dass bei der Erzählcafé-Methode keine Diskussion entsteht und man keine Rückfragen stellen darf. Nur die Moderatorin stellt Fragen. Dadurch bleiben wir zwar beim Thema, aber die Spontaneität fehlt.

Was würden Sie anders machen?

Ich würde den Gesprächsfluss nicht unterbrechen, sondern zulassen, dass man sich mit einem Signal meldet, wenn man kurz nachfragen oder etwas anmerken möchte. Dann geht das Wort aber wieder zurück zur erzählenden Person. Auch fände ich es gut, wenn die Gruppe aufgrund eines aktuellen Ereignisses das Thema wechseln könnte. Einmal kam eine Teilnehmerin und erzählte vom Suizid eines Verwandten. Sie hätte gerne darüber geredet, doch die Moderatorin hatte schon ein Thema vorbereitet und verschob die Diskussion auf den zweiten Teil. Danach kam der Suizid aber nicht mehr zur Sprache. Das war schade, denn die Gruppe hätte der Frau gerne zugehört. Wäre das vielleicht ein neues Format?

 

Über Hanspeter Itschner

Hanspeter Itschner lebt in Netstal. Dem 66-jährige Pensionär ist es keine Minute langweilig: Er geht mehrmals pro Woche ins Yoga, um seine Muskelverspannung zu lockern und die Schmerzen zu reduzieren. Abends leistet er seiner 92-jährigen Mutter Gesellschaft und pflanzt sein eigenes Gemüse an. Am monatlichen Erzählcafé von Liliana Schmid in der Alterssiedlung Volksgarten in Glarus fehlt er selten.

An der Auffahrt 2019 wäre das monatliche Donnerstag-Treffen ausgefallen. Da bot Hanspeter Itschner spontan eine Führung auf dem Glarner Bienenlehrpfad an. Liliana Schmid organisierte das Treffen, die Gruppe wanderte durch die malerische Natur und Itschner erklärte das Leben der Bienen.

Itschner hat sich neben seinem Beruf als Maschinenzeichner und Betriebsfachmann für die Imkerei engagiert und war über 20 Jahre Hauptverantwortlicher für Bienenkrankheiten im Kanton Glarus. Als Präsident der Schweizerischen Dystonie-Gesellschaft berät er Betroffene und unterstützt mehrere Selbsthilfegruppen.

 

Interview: Anina Torrado Lara
Fotos: Privat