Im März 2025 findet ein Wechsel in der Co-Geschäftsleitung des Vereins Netzwerk Erzählcafé statt. Vanda Mathis übernimmt von Rhea Braunwalder (bisher) und bildet mit Marcello Martinoni die neue Geschäftsleitung.

Vanda Mathis hat in Vereinen schon gefühlt alle Positionen erlebt: Vereinskoordinatorin, Vorstandsmitglied, Co-Geschäftsleitung oder Geschäftsführerin. Und das hauptsächlich in sozial engagierten Organisationen wie SWISSAID oder dem Verein Hilfe für hirnverletzte Kinder. Wir freuen uns, Vanda im Team des Vereins Netzwerk Erzählcafé zu haben und sind überzeugt, dass ihre Expertise und langjährige Erfahrungen in diesem Bereich eine Bereicherung sind. Herzlich willkommen, Vanda!

Vanda Mathis‘ offizieller Start ist am 17. März 2025 an der Mitgliederversammlung des Vereins. Wir beantworten gerne Ihre Fragen: info@netzwerk-erzaehlcafe.ch

Portrait-Bild einer Person

«Geschichten sind für mich Fenster in andere Leben. Fasziniert davon begleitete ich ältere Menschen für meine Abschlussarbeit auf eine Zeitreise durch ihre Erinnerungen. Mein erstes Erzählcafé, organisiert für Grosseltern von Kindern mit Behinderung, hat mich tief bewegt – Worte wurden zu Brücken, der Austausch zur Stärkung. Wenn ich nicht gerade Erzählungen lausche, findet man mich mit einem Buch in der Hand, dann wachsen Geschichten in meinem Kopf – oder mit einer Schaufel im Garten, wo hoffentlich Gemüse wächst, wenn die Schnecken es nicht vorher entdecken.»

Vanda Mathis 

 

 

Le premier café-récits organisé à la Bibliothèque de Montreux-Veytaux a suscité beaucoup d’intérêt et d’enthousiasme (Bibliothèque Montreux-Veytaux)

Das BiblioWeekend 2025 bot die Gelegenheit, Erzählcafés vorzustellen und die Bedeutung von Bibliotheken als gesellige Orte, die den sozialen Zusammenhalt fördern, hervorzuheben. Das Team der Bibliothek von Montreux-Veytaux entschied sich dieses Jahr dafür, ein erstes Erzählcafé zum Thema «Unsere Lesegeschichten» durchzuführen. Die Direktorin, Laure Meystre, drei Bibliothekarinnen und acht Leserinnen der Bibliothek nahmen daran teil. Im Anschluss stellte sich Laure Meystre einigen Fragen.

Das Gespräch führte Evelyne Mertens*

Dies ist das erste Erzählcafé, das in der Bibliothek von Montreux-Veytaux organisiert wurde. Was hast du erwartet?

Ich hatte vor allem Lust, mich überraschen zu lassen. Ich hatte mich nicht weiter mit der Frage beschäftigt, was passieren würde. Dann merkte ich jedoch, dass ich ein wenig verwirrt war, als die Nutzerinnen und Nutzer nach Informationen zum Erzählcafé fragten. Die Leute schienen sich vorbereiten zu wollen. Die Erklärung, die du mir im Vorfeld geschickt hast, war sehr klar, und ich habe das Gefühl, dass ich genau das erlebt habe. Es ist wichtig, in den Beschreibungen der Animation transparent zu sein, sonst kann es das Publikum abschrecken.

Das BiblioWeekend findet jedes Jahr auf nationaler Ebene statt. Was sind die Ziele der Bibliothek von Montreux-Veytaux?

Unser Ziel ist es, die Türen für die Öffentlichkeit zu öffnen und einen festlichen Moment zu organisieren, einen Moment mit verlängerten Öffnungszeiten, zu dem jedermann kommen kann. Wir bieten drei Tage (Freitag, Samstag und Sonntag), an denen die Bibliothek im Mittelpunkt steht. Einerseits zeigen wir, dass Bibliotheken nicht nur auf das Lesen ausgerichtet sind, sondern auch Orte des Lebens und der Sozialisierung für Gross und Klein sind. Zum anderen macht das BiblioWeekend auch den Behörden bewusst, was wir tun. Wenn alle Bibliotheken auf nationaler Ebene mitmachen, wird unser Animationsprogramm stärker wahrgenommen.

Ausserdem passte das diesjährige Thema perfekt, um ein erstes Erzählcafé zu moderieren. Jetzt, wo du selbst eines erlebt hast: Warum ist es für eine Bibliothek interessant, eine solche Veranstaltung anzubieten?

Das Konzept der Lebensgeschichte ist etwas, das mich anspricht. Es bietet die Möglichkeit, Beziehungen zu knüpfen. In einem Erzählcafé gibt man vor der Gruppe einen kleinen Teil seiner Geschichte preis. Einige Teilnehmende kannten sich, andere überhaupt nicht. Eine Frau, die Französisch lernt, schien sich wohl dabei zu fühlen, das Wort zu ergreifen, obwohl sie niemanden kannte. Die anderen hörten ihr zu. So werden zwangsläufig Beziehungen geknüpft. Vielleicht werden die Teilnehmenden, die in die Bibliothek kommen werden, eine andere Beziehung zu den Bibliothekarinnen haben, die anwesend waren. Jede Anekdote, die erzählt wurde, hatte eine Resonanz. Der Austausch brachte Erinnerungen zurück, die ich völlig vergessen hatte. Für mich ist es ein Moment der Selbstreflexion, aber gleichzeitig auch des Teilens und der Verbindung. Und das war in der Haltung der Teilnehmenden sichtbar.

Was war neu im Vergleich zu anderen Veranstaltungen, die in der Bibliothek angeboten werden?

So etwas haben wir noch nie gemacht! Und es ist sogar etwas ganz Verrücktes passiert: Während wir uns beim Kaffee austauschten, hat sich eine Lesegruppe gebildet. Das Erzählcafé war für einige Teilnehmende der Auslöser, um einen Leseclub in der Bibliothek zu organisieren. Eine Leserin sagte zu mir: «Kannst du dir das vorstellen? Ich bin gerade dabei, einen Freundeskreis aufzubauen.» Das finde ich erstaunlich. Thema des Erzählcafés war das Lesen, aber es hätte auch etwas anderes sein können. Wichtig ist, dass man etwas von sich preisgibt.

Ich merke es in jedem Erzählcafé, das ich leite, dass jede Person eine Geschichte zu erzählen hat. Man hat immer etwas zu erzählen, es gibt keine Fähigkeiten, die man haben muss.

Das Material ist bereits vorhanden, wir müssen nichts vorbereiten. Man braucht nur ein paar Stühle. Es ist ein supereinfaches Konzept, das man umsetzen kann. Das ist es, was ich so toll finde: Man kommt so, wie man ist. Es gab Teilnehmende mit ganz unterschiedlichen Hintergründen. Das bedeutet, jeder kann mit seiner Geschichte kommen, die alle den gleichen Wert haben. Das ist aussergewöhnlich, ich habe Gänsehaut. Wir organisieren einen Philo-Workshop, der gut funktioniert, aber wir bleiben bei philosophischen Themen. Im Erzählcafé geht es um etwas, das mit Entdecken zu tun hat. Das war für uns etwas völlig Neues.

Ein Problem mit der Kommunikation rund um das Erzählcafé ist, dass man es selbst erlebt haben muss, um wirklich zu verstehen, was es ist. Es ist kompliziert, diesen Moment zu erklären, in dem wir alle zusammen sind, einer Person beim Reden zuhören und dann schweigen. Das passiert im Alltag nicht.

Man muss einfach sagen: Komm, probiere es aus, du wirst sehen! Im Zeitalter der Smartphones, in dem jeder mit gesenktem Blick über einen Bildschirm kommuniziert, ermöglicht es, eine Form des Tête-à-Tête, des Zuhörens und des Respekts wiederzufinden.

Man lernt wieder zuzuhören. Das ist nicht selbstverständlich, aber die Erzählcafés geben mir Hoffnung. Das heutige Erzählcafé war auf 16-Jährige beschränkt, aber man kann die Generationen sehr gut mischen. Kinder haben sehr interessante Dinge zu erzählen, daher ist eine Altersgrenze nicht zwingend erforderlich.

Dies wäre eine gute Möglichkeit, generationenübergreifende Aktivitäten zu fördern. Ich hatte jedenfalls viel Spass bei der Teilnahme. Und die Freude ist noch grösser, weil ich gesehen habe, wie sehr es den Teilnehmenden gefallen hat. Ich denke mir, dass wir etwas beitragen konnten, das vielleicht Sinn macht. Manchmal frage ich mich, was ich in meinem kleinen Rahmen dazu beitragen kann, dass es der Welt ein bisschen besser geht. Das Erzählcafé kann dazu beitragen.

*Evelyne Mertens ist Praktikerin für Lebensgeschichten und Leiterin von Erzählcafés. Sie unterstützt die Westschweizer Koordination des Netzwerks Erzählcafé.

 

Das Biblioweekend ist eine nationale Veranstaltung, welche die Wahrnehmung der Bibliotheken in der Öffentlichkeit und bei den politischen Behörden fördern soll. Jedes Jahr steht ein Wochenende lang das Programm aller Schweizer unter einem bestimmten Motto. Die diesjährige Ausgabe, die vom 28. bis 30. März 2025 stattfand, widmete sich dem Thema «Worte verbinden Welten / Les mots relient les mondes / Le parole uniscono i mondi». Lesen, schreiben, zuhören, erzählen – Worte dienen in erster Linie dazu, unsere Erfahrungen zu teilen. Es gibt kein besseres Thema, um ein punktuelles Erzählcafé in einer Bibliothek zu organisieren.

Bibliothek von Montreux-Veytaux

Was passiert, wenn zwei Moderierende spontan ein Erzählcafé organisieren und dann Personen dabei sind, die sich störend verhalten? Natalie Freitag erzählt vom Rollenspiel, das sie anlässlich der Intervision 2024 zum Thema «Herausfordernde Momente im Erzählcafé» durchgeführt hat.

Graue Haare, blank liegende Nerven oder Lachkrämpfe: Die rund 12 Teilnehmenden der Intervision vom 31. August 2024 tauschten sich in der Siedlung Irchel in Zürich über schwierige Momente am Erzählcafé aus.

Im Fokus standen Erfahrungen, zum Beispiel wenn jemand eine andere Person beleidigt oder sich respektlos verhält, wenn die ganze Gruppe schweigt oder wenn eine einzige Person viel Raum für sich beansprucht. Die Moderator*innen erzählten, hörten einander zu und suchten nach verschiedenen Lösungsansätzen.

Um spielerisch zu erproben, wie diesen Situationen begegnet werden kann, übte die Gruppe im Rollenspiel. Die gewählte Moderation überlegte sich ein Thema und Fragen, währenddessen sich die anderen Personen in der Gruppe verschiedene Rollen ausdachten, die sie spielen wollten. Ziemlich anspruchsvoll für eine spontane Moderation! Und für einige vielleicht auch ein Déjà-vu.

Im Nachhinein war das Rollenspiel ein Spass und sehr lehrreich: Es zeigte auf, wie kompetent Erzählcafé-Moderierende mit schwierigen Situationen umgehen. Eine Teilnehmerin sagte: «Es hat auch seinen Reiz, ein Erzählcafé zu leiten, das anders herauskommt als geplant. Kein Erzählcafé ist gleich.»

Ein herzliches Dankeschön an Miriam Greuter von der Siedlung Irchel, die uns bei der Organisation des Anlasses unterstützt und in der Siedlung Irchel willkommen geheissen hat!

2023 veranstaltete das Musée d’ethnographie de Genève (MEG) im Rahmen der Sonderausstellung «Être(s) ensemble» vier Erzählcafés zu unterschiedlichen Themen. Sie drehten sich rund um die Kommunikation zwischen verschiedenen Arten von Lebewesen und die Beziehungen zwischen Menschen, Pflanzen und Tieren. Julie Dorner* blickt zurück und gibt ihre Erfahrungen weiter.

Foto: MEG

Interview: Anne-Marie Nicole

Julie Dorner, was ist das MEG?

Das Musée d’ethnographie de Genève ist eine Institution der Stadt Genf, das Sammlungen mit Objekten, Büchern und Dokumenten zu den Kulturen der fünf Kontinente beherbergt. Was das Museum so besonders macht, sind die umfangreichen Sammlungen an Musikinstrumenten und Tonaufnahmen. Das Museum befindet sich im Stadtteil La Jonction und verfügt über mehrere Räumlichkeiten, die für unterschiedliche Zielgruppen als Erlebnisorte dienen können: der Garten, das Café, die Ausstellungsräume, aber auch das Foyer, in dem Aktivitäten, Workshops, Konzerte, Performances usw. stattfinden.

Warum haben Sie für die Sonderausstellung «Être(s) ensemble» Erzählcafés eingesetzt?

Mir persönlich war es immer wichtig, im Anschluss an die Ausstellungen Diskussionsmöglichkeiten anzubieten, um Abstand zu den wissenschaftlichen Konzepten zu gewinnen und Raum für den Austausch über die Erzählungen und Erlebnisse der Menschen zu lassen. Während meiner Ausbildung in Kulturvermittlung sind mir die Erzählcafés begegnet. Das Format ist interessant, weil es einen Rahmen für die Diskussion und den Austausch von Erfahrungen bietet. Und in unserem Fall entspricht es perfekt dem Anliegen der Ausstellung «Être(s) ensemble»: Wir Menschen sind alle mit unserer Umwelt verbunden. Das Erzählcafé bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich mit ihrer Beziehung zu allen Lebewesen auseinanderzusetzen und ihre Geschichten und Erfahrungen im Zusammenhang mit Pflanzen oder Tieren zu teilen.

Sie haben die «Antenne sociale de proximité» in das Projekt Erzählcafés einbezogen. Warum?

Für das MEG bietet eine Partnerschaft je nach Projekt bereichernde Möglichkeiten. Eine unserer Herausforderungen besteht darin, zu verstehen, wie wir auf das Publikum zugehen und das Museum zu einem Ort der Diskussion und des Austauschs im Quartier machen können. Hier spielt die Frage der Zugänglichkeit eine wichtige Rolle: Das MEG befindet sich in einem sehr belebten und beliebten Quartier und hat ein eher elitäres Image, was es zuweilen unnahbar macht. Die Partnerschaft zwischen dem Sozialdienst und dem MEG ermöglicht es einerseits, Menschen ins Museum zu bringen, die sonst nicht kommen würden, und andererseits unserem Stammpublikum die Möglichkeit zu geben, an einer anderen Art von Veranstaltung teilzunehmen. Auf diese Weise trägt das Museum auch zum Zusammenleben und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt im Quartier bei.

Sie haben vier Erzählcafés veranstaltet, jedes zu einem anderen Thema – unsere Beziehung zu Lebewesen, Pflanzen und wir, Tiere und wir, das Zusammenleben und das Glücklichsein. Fanden sie Anklang?

Ja, ich war angenehm überrascht. Die Erzählcafés fanden jedes Mal an einem anderen Ort im Quartier statt. Es haben sehr viele Menschen teilgenommen. Die Erzählungen über die Beziehung zu Pflanzen haben mich unglaublich berührt, obwohl wir anfangs davon ausgingen, dass dieses Thema am wenigsten gut ankommen würde. Bei den Geschichten rund um Tiere haben wir sehr viel gelacht. Ich freue mich sehr über das Interesse und die Begeisterung für diese Art von Treffen und das positive Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Gab es bei der Umsetzung dieser Erzählcafés spezielle Herausforderungen?

Die Auswahl der Themen war sicherlich eine grosse Herausforderung. Wir wollten nämlich Themen anbieten, die Lebenserzählungen und den Austausch von Erfahrungen fördern, dabei thematisch aber auch zur Ausstellung passen. Ausserdem war es uns wichtig, allzu theoretische Diskurse und Ideendebatten zu vermeiden. Und es galt auch, unser Publikum zu finden, noch dazu eines, das sich von dieser Art des Austauschs angesprochen fühlt und Lust hat, daran teilzunehmen. Im Museum haben wir versucht, Diskussionsmöglichkeiten anzubieten. Sie waren im Gegensatz zu den geführten Besichtigungen aber nur mässig erfolgreich.

Planen Sie, weitere Erzählcafés anzubieten?

Diese ersten Erzählcafés können als Pilotprojekt betrachtet werden. Wir werden sehen, wie es weitergeht… Wenn wir das Ziel des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des Zusammenlebens im Quartier weiterverfolgen wollen, ist das Erzählcafé sicherlich ein Format, das wir in Betracht ziehen könnten. Es müsste dann regelmässig angeboten werden. Wie wir es üblicherweise bei kulturvermittelnden Aktivitäten im Quartier ausserhalb des Museums tun, werden wir auch hier überlegen müssen, wie wir die Erzählcafés stärker mit dem Museum verknüpfen können. Indem es Raum für Diskussion schafft, kann das Museum dabei mitwirken, die sozialen Bindungen zwischen Generationen und zwischen Bevölkerungsgruppen zu fördern.

 

* Julie Dorner hat einen Master in Ethnologie und ist Kulturvermittlerin im MEG.

Das Netzwerk Erzählcafé erarbeitet laufend Leitfäden für Moderator*innen. Diese sollen Sie bei der Themenwahl und bei der Vorbereitung eines Erzählcafés unterstützen. Bisher verfügbar sind:

Entdecken Sie die Leitfäden und geben Sie uns gerne Feedback: info@netzwerk-erzaehlcafe.ch

Wir freuen uns, für unser neues Projekt «Erzählcafés im Alter» auf die finanzielle Unterstützung der Walder Stiftung und der Paul Schiller Stiftung, Zürich zählen zu können:

  • Die Walder Stiftung fördert Projekte, die zu einer optimalen Lebens- und Wohnqualität im Alter beitragen.
  • Die Paul Schiller Stiftung, Zürich unterstützt gemeinnützige Projekte, die eine nachhaltige Entwicklung anstreben, eine integrative Gesellschaft fördern, multiplikative Wirkung haben, aktuell und im allgemeinen Interesse sind.

In den nächsten zwei Jahren werden wir mit relevanten Organisationen im Altersbereich die Erzählcafés in den Pilot-Regionen verankern.

Biografisches Erzählen fördert gerade auch im Alter die Aufrechterhaltung der individuellen Identität und die soziale Teilhabe. Anne-Marie Nicole, Koordinatorin des Netzwerks Erzählcafé in der Romandie (im Bild), berichtet im Magazin Artiset von ihren Erfahrungen mit Erzählcafés in verschiedenen Settings, zum Beispiel im Pflegeheim.

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Die #Freundschaftsinitiative von Migros-Engagement war erfolgreich: Unter anderem veranstaltete das Netzwerk Erzählcafé mehrere Erzählcafés zum Thema Freundschaft. Die Moderierenden teilen ihr Feedback hier auf dem Schwarzen Brett.

Mehr Einblicke ins Thema gibt auch Sylvia Hablützel im Interview.

Das Netzwerk Erzählcafé und Migros-Engagement bieten im Rahmen der #Freundschaftsinitiative eine Reihe von Erzählcafés zum Thema «Freundschaft» an. Natalie Freitag, die das Netzwerk Erzählcafé in der Deutschschweiz koordiniert, hat mit Silvia Hablützel gesprochen. Die erfahrene Moderatorin aus Appenzell Ausserrhoden erzählt, was ihr persönlich Freundschaft bedeutet.

Interview: Natalie Freitag
Foto: zVg

Natalie Freitag: Silvia, was bedeutet Freundschaft für dich? Wie wichtig ist dir Freundschaft?

Silvia Hablützel, Fachfrau Pflege und Gesundheit und Moderatorin aus Herisau: Sie ist mir sehr wichtig. Menschen sind mir sehr wichtig. Begegnungen, Austausch haben, zusammen durch die Höhen und Tiefen des Lebens gehen. «Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen»: Dieses Zitat von Guy de Maupassant sagt für mich sehr viel aus.

Hast du eine langjährige Freundschaft? Oder eine ganz neue? Wie und wo kam es zu diesen Freundschaften?

Es gibt alte Freundschaften, die zu einer bestimmten Zeit des Lebens für mich sehr wichtig und intensiv waren, zum Bespiel aus der Zeit der Ausbildung, als wir zusammen Visionen und Träume teilten. Ich habe aus dieser Zeit drei Freunde*innen, die mich durchs Leben begleitet haben. Durch sie habe ich auch meinen Mann kennengelernt, als wir gemeinsam Trauzeug*innen waren an der Hochzeit einer dieser Freundinnen. Mit alten Freunden verbinden mich Geschichten, Erlebnisse und Erfahrungen. Das schweisst zusammen. Es gibt aber auch neue Freundschaften in meinem Leben – das Neue, einander kennenlernen und entdecken können, das ist spannend. Es gibt auch Freundinnen, die ich lange Zeit nicht sehe und keinen Kontakt habe, dennoch bleibt die emotionale Verbindung gegenseitig bestehen und wir wissen, dass wir jederzeit füreinander da sind.

Gab es auch Freundschaften, die mit der Zeit auseinandergingen?

Das gab es auch. Eine Freundschaft endete abrupt, von viel Kontakt zum totalen Kontaktabbruch. Schmerzliche Erfahrungen und Trennungen gehören eben auch zum Thema Freundschaften.

Bist du eine gute Freundin? Was tust du dafür?

Ja, das würde ich sagen. Ich habe ein offenes Ohr, habe Zeit, bin da. Zuhören, laut denken und eine Sparring-Partnerin sein, die auch kritisch ist – im Sinne eines Angebots, Beständigkeit, Vertrauen und Pflege der Beziehung durch Zeichen geben, z.B. Briefe schreiben. Und was mir ganz wichtig ist, zusammen zu lachen.

Erzähl uns noch etwas über dich und deine Arbeit mit dem Erzählcafé!

Seit vier Jahren führe ich in Herisau, Heiden und Stein im Kanton Appenzell Ausserrhoden Erzählcafés durch. Dies im Rahmen meiner Anstellung bei Pro Senectute. Erzählcafés bieten die Möglichkeit, einen Teil meines Auftrags für die Gesundheitsförderung im Alter zu erfüllen. Austausch und Gemeinschaft zu ermöglichen, gegen die Einsamkeit. Es entstehen daraus Begegnungen, manchmal Freundschaften. Man kennt sich im Dorf, wenn man sich trifft, geht zusammen auch Kaffee trinken. Was mir ganz besonders gefällt, ist die Tiefe, die Intensität, die im Erzählcafé möglich wird. Man kommt jemandem in nur ein bis zwei Stunden nahe und teilt sehr Persönliches.

Was ist deine Geschichte, die dir spontan in den Sinn kommt zum Thema Freundschaft?

Das ist eine schöne Geschichte: Es war an einem Erzählcafé zum Thema «auf den Hund gekommen». Eine Frau hatte ihre Nachbarin spontan mitgenommen, da ihr Hund gerade an diesem Morgen eingeschläfert werden musste. Es war auch ein Mann anwesend, dem Hunde sehr wichtig waren. Die beiden lernten sich dort kennen und sind heute ein Paar. Jetzt haben sie sich gerade zusammen einen jungen Hund zugelegt.

Zur Person

Silvia Hablützel ist erfahrene Erzählcafé-Moderatorin. Sie ist Pflegefachfrau HF/BScN und Leiterin des kantonalen Programms «Zwäg is Alter» bei Pro Senectute AR. Suchen Sie eine Moderation für Ihr Erzählcafé? Hier finden Sie Kontakte.

Um lebendige Erzählcafé-Strukturen auf lokaler Ebene zu schaffen, sucht das Netzwerk Erzählcafé regionale Botschafter*innen. Gemeinsam gehen wir auf Institutionen vor Ort zu: Bibliotheken, Quartiervereine, Gemeinden oder Kirchgemeinden zu. Rhea sagt, welche Eigenschaften jemand für die Rolle mitbringen soll und wie die Arbeit entschädigt wird.

 

Warum sucht das Netzwerk Erzählcafé regionale Botschafter*innen?

Rhea Braunwalder: Als neuer Verein wollen wir erreichen, dass noch mehr Menschen Erzählcafés erleben dürfen. Deshalb ist es unser Ziel, in allen Regionen der Schweiz Erzählcafés zu verankern. Damit dies langfristig und nachhaltig ist, braucht es Menschen vor Ort, die gut vernetzt sind und den Motor am Laufen halten. Es reicht nicht, wenn eine zentrale Stelle in jedem Winkel des Landes einmalig Erzählcafés organisiert.

Wer kann sich bei dir melden?

Ich suche Persönlichkeiten mit Eigeninitiative, die in ihrer Region ein Erzählcafé-Projekt realisieren oder das Erzählcafé als Methode verankern wollen. Die Person sollte gut vernetzt sein, auf andere zugehen können und kommunikativ sein. Gemeinsam sprechen wir die relevanten Akteurinnen und Akteure in der Region an und befähigen die Botschafter*in, selber Erzählcafés anzubieten. Natürlich sollte die Person auch Mitglied vom Verein sein.

Muss man Moderationserfahrung mitbringen?

Moderations-Erfahrung ist von Vorteil, aber vor allem wichtig, ist es Erzählcafés erlebt zu haben und vom Format überzeugt zu sein. Die regionalen Botschafter*innen vernetzen sich mit den Moderierenden in ihrer Region und übernehmen eine Art Schnittstellenfunktion zwischen dem Verein und den Moderierenden. Die Geschäftsstelle steht in engem Kontakt mit der Person und unterstützt sie tatkräftig.

Wie sieht die Arbeit von regionalen Botschafter*innen konkret aus?

Das kann sehr unterschiedlich sein, je nach Region und Möglichkeiten, die eine Person mitbringt. Er oder sie…
  • ist Ansprechperson für Interessierte in der Region.
  • vernetzt neue und erfahrene Moderierende, die im Kanton wohnen.
  • begleitet den Aufbau eines kantonalen Erzählcafé-Netzwerks und ist bereit, Institutionen, Organisationen, Teilnehmende und die Öffentlichkeit zu kontaktieren.
  • unterstützt regionale Einführungskurse und lädt dazu lokale Partner*innen ein.
  • nimmt einmal pro Jahr an einem Austauschtreffen der regionalen Botschafter*innen teil.
  • initiiert ein Erzählcafé-Projekt mit anderen Personen im Quartier.
  • darf als Kontaktperson für die Region auf der Website aufgeführt werden.

 

Wie profitieren Personen, die sich als regionale Botschafter*innen fürs Netzwerk engagieren?

  • Sie besuchen den Kurs «Weiterbildung 2024: Fit für die Begleitung von Moderierenden» vergünstigt.
  • Sie werden vom Netzwerk beraten und unterstützt und stehen mit einer Person aus der Geschäftsstelle in engem Kontakt.
  • Sie werden mit einer Pauschale plus Spesen entschädigt.
  • Sie nehmen kostenlos am Werkstattgespräch und an der Intervision teil.
  • Sie erfahren Wertschätzung.

Bitte schreiben Sie Rhea, wenn Sie in einer Region gut vernetzt sind und das Netzwerk Erzählcafé unterstützen können.